Inetrnational Centre of the Roerichs


O.L.Starowojtowa (Riga, Lettland)

Mitglied des Internationalen Journalistenverband
Übersetzung aus dem Russischen:
Rainer Schneider (Tradogan Übersetzungen)
Remscheid, Deutschland

HEROSTRATEN MIT DEM NOTEBOOK, ODER RANDNOTIZEN IM BUCH ERNSTS VON WALDENFELS "NIKOLAI ROERICH: KUNST, MACHT UND OKKULTISMUS

Arbeit für das Allgemeinwohl kann nur bei ausreichender
Autorität und Achtung geleistet werden. Denn dunkle
Kräfte, wie Sie jetzt überzeugen werden, versuchen in
erster Linie die Autorität zu verletzen.
Elena Roerich

Es gibt keinen traurigeren Beweis der Bedeutungslosigkeit
des Menschen als den Unglauben an große Menschen.
Thomas Carlyle

Anstelle eines Vorwortes

"Um vom Genie zu berichten, das doch ein gewisses Wunder der Natur ist, muss man selbst eines sein. Zumindest jedoch muss man die Fähigkeit haben, sich sein Bild vorstellen zu können mit dem Willen des Einfühlungsvermögens…", stellte einst der herausragende russische Denker Sergej Bulgakow in seinem Essay über den Priester Pawel Florenski fest1.

Diese Worte sind der Leitfaden für alle, die sich entschieden haben, das Leben bemerkenswerter Menschen zu beschreiben, zu welchen die nach Maßstabgröße und Vielseitigkeit der Begabung einzigartige Persönlichkeit Nikolai Roerich gehört. Das Verständnis von Lebensweg und schöpferischem Erbe muss sich durch Tiefe, das Studium der Quellen aus Lebzeiten und später durch Umfangreichtum und streng kritische Auswahl hervorheben, eine Erzählung hingegen durch tadellose Ethik ihrer Bewertungen. Der für Biografen nicht festgeschriebene hohe Qualitätsstandard hat lange durchgehalten, wodurch die Welt den Genies, auf die die Menschheit zu Recht stolz ist, die gebührende Ehre erwiesen hat. Zweifellos gab es zu allen Zeiten Ausnahmen, jedoch ist seit der Mitte des 20. Jahrhunderts die Messlatte besonders tief zu liegen gekommen. Ein abermaliges Beispiel hierfür ist das Buch "Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus", erschienen im Jahr 2011 im Berliner Osburg-Verlag. Sein Inhalt hat den Unmut der Experten des Internationalen Roerich-Zentrums (MZR) und der Bewunderer des Schaffens eines großen Denkers und Künstlers erregt: "Das Buch Ernsts von Waldenfels wird als Biografie Nikolai Roerichs beworben, aber in ihr, so paradox es auch klingt, wird Roerich selbst gar nicht vorgestellt. In den Fußnoten des Buches sind über 700 verwendete Quellen benannt, von diesen sind nicht einmal 10 Verweise auf Zitate aus den Büchern Roerichs, und selbst diese sind aus dem Zusammenhang gerissen. Der Autor deutet sie willkürlich nach eigenem Ermessen. Im Buch fehlt die im Leben Roerichs bedeutsame Zeit seines Schaffens im vorrevolutionären Russland, Aussagen über ihn von seinen bedeutenden Zeitgenossen Lew Tolstoi, Archip Kuindschi, Leonid Andrejew, Maurice Maeterlinck, George Wells und viele mehr, die man unmöglich der Voreingenommenheit verdächtigen kann, sind vom Autoren des Buches weder angeführt noch analysiert"2.

In der Tat, viele bekannte Menschen, deren Namen die Schatzkammer der Menschheit füllen, haben über Nikolai Roerich höchst positive Meinungen hinterlassen. Ergänzend zu den oben Genannten erinnere ich an Albert Einstein, Jawaharlal Nehru, Rabindranath Tagore, Pawel Tretjakow. Und ich möchte eine Rezension, die vom Akademiemitglied Dmitri Blochinzew, einem bekannten sowjetischen Kernphysiker, stammt, zitieren, der sich auf Kunst verstand: "Die Malerei Nikolai Roerichs ist 'nicht kanonisch'. Aber die Kunst ist kein Handwerk. Sie erkennt die Kanones nicht an. Die Kunst ist eine Offenbarung – das Wunschbild einer Welt, die nicht von allen entdeckt werden kann. Nikolai Roerich hat den Menschen die Schönheit großer Taten und die Schönheit der Berge eröffnet. Wer unseren Pamir oder Tibet gesehen hat, der versteht, wie realistisch die phantastischen Gemälde Roerichs sind. In ihnen gibt es auch eine andere superwichtige Seite - sie sind weise. Sie erinnern uns eindringlich daran, dass Hetzerei nicht die beste Form des Lebens ist"3.

"Die Schönheit großer Taten" - eine selten umfassende Definition, die den Lebensweg Nikolai Roerichs beschreibt. Jedoch … "hat der Autor es ebenfalls nicht für notwendig erachtet, in seinem Buch die vielseitige schöpferische und wissenschaftliche Tätigkeit Nikolai Roerichs vorzustellen, er hat die Gesamtheit seiner Persönlichkeit nicht gezeigt. Die gewaltige internationale Tätigkeit Nikolai Roerichs für den Erhalt der Objekte des weltweiten Kulturerbes wurde unberücksichtigt gelassen"4. Und noch etwas: "Herr Waldenfels ist mit dem philosophischen Erbe der Roerichs gleichsam unwissend umgegangen. Ohne die Möglichkeit, weder zu verstehen noch zu begreifen, was er selbst auf den Seiten seines Buches eingesteht, erklärt er Agni Yoga bzw. die Lebendige Ethik als "mystische Lehre …"5. Zu alledem täuscht der Schriftsteller seine Leser. So zum Beispiel "schreibt der Autor (Teil 6, Kap. 2, S. 367), dass die Expedition Roerichs auf den Spuren anderer, vorhergegangener Expeditionen verlief. Inzwischen ist wohlbekannt, dass die Überquerung des Westhimalayas von Süd nach Nord und der Tibetischen Hochebene von Nord nach Süd mit der Durchquerung des Transhimalaya und Himalaja mit dem Ausgang nach Indien eine Leistung eben dieser Zentralasiatischen Expedition Nikolai Roerichs war, weil diese Reiseroute keine Expedition zuvor beschritt. Weiter berichtet der Autor an dieser Stelle, dass die Zentralasiatische Expedition nichts grundlegend Neues entdeckt hat, obwohl allen wahren Forschern wohlbekannt ist, dass die Expedition Nikolai Roerichs kolossales wissenschaftliches Material (ethnographisch, folkloristisch, linguistisch) gesammelt hat, dass eine Vielzahl archäologischer Denkmäler entdeckt und erforscht wurde, dass erstmals auf einer Landkarte Dutzende Berggipfel und Gebirgspässe verzeichnet und präzisiert wurden. Diese größte wissenschaftliche Expedition des 20. Jahrhunderts hat wesentlich zur Bereicherung unseres Wissens und zum Verständnis der großen Kulturen des Ostens beigetragen"6.

Dies ist die professionelle Einschätzung des deutschen Autors durch diejenigen, die ihr Leben dem Studium des schöpferischen Erbes eines einzigartigen Denkers, ergreifenden Malers, scharfsinnigen Gelehrten, nachdenklichen Reisenden, einer kulturellen und Persönlichkeit des öffentlichen Lebens von Weltklasse gewidmet haben. Die Situation ist paradox. Der Osburg-Verlag positioniert auf seiner Website das Buch "Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus" als vollständigste Biografie von Nikolai Roerich in Deutschland. Die Experten hingegen sprechen ihr die Ehre ab, diese als solche betrachtet zu werden. Also, was hat Herr Waldenfels denn nun tatsächlich geschrieben?

"Man sagt, ich bin nicht Roerich…"

Über Nikolai Roerich gibt es seit Jugendzeiten eine Vielzahl erfundener Geschichten, worüber der Künstler mit funkensprühendem Humor schrieb. Aus dieser Tatsache heraus, aber in umgekehrter Variante, eröffnet der deutsche Schriftsteller seine Erzählung: "Nikolai Roerich war ein Mann, der die unglaublichsten Gerüchte und Legenden über sich selbst zu verbreiten wusste"7. Zu seinen Urahnen zähle Rurik, der mystische Gründer des Rus aus Skandinavien, woran selbst die glühendsten Anhänger des Künstlers nicht glauben.

Ein vielversprechender Anfang für einen Biografen, der an sich dazu berufen sein sollte, zuvor das zu behandelnde Thema zu studieren und erst dann eine Beurteilung durchzuführen. Da damit "die Forschung" des legendären Teiles des Stammbaums beendet ist, ist nun die Lücke zu schließen.

Legenden über die Abstammung von namhaften Vorfahren kommen in vielen Familien seit Jahrhunderten vor. So führt das dänische Königshaus seinen Stammbaum auf die Skjöldungen zurück8. Und der Wikinger Rorik aus Jütland (Friesland), gleichgesetzt mit dem Novgoroder Fürsten Rjurik, stellte ihren jüngeren Zweig dar. Neuigkeiten aus den Tiefen der Jahrhunderte sind aus Mangel an Beweisen schwer zu widerlegen, sie zu bestätigen hingegen sind realer. Troja, knapp zehntausend Jahre vor unserer Zeit, hielt man ebenfalls lange für Fiktion, aber nur solange, bis Schliemann materielle Beweise über sie entdeckte. Und auch das flüchtige Bild Roriks, dessen Name außer in slawischen in gut einem Dutzend europäischer Chroniken des 8. Und 9. Jahrhunderts ("die Einhard-Annalen", die Bertinischen, Fuldaer, Xantener Annalen und so weiter) kursiert, nimmt Schritt für Schritt Fleisch und Blut an. Neue wissenschaftliche Forschungen, insbesondere die Ergebnisse von Ausgrabungen in Russland (Neu-Lagoda), aber auch in Deutschland, schließen viele Lücken in seiner Biografie.

Herr Waldenfels hatte eine hervorragende Möglichkeit, sich in diese Thematik zu vertiefen, da sie unmittelbar mit Nikolai Roerich verbunden ist. Ende des 20. Jahrhunderts haben Experten des Archäologischen Dienstes des Landes Mecklenburg und der Universität Kiel im Norden des Landes umfangreiche Ausgrabungen durchgeführt. Die Arbeit war von Erfolg gekrönt - ein Handelskomplex und Gräber aus dem 8. und 9. Jahrhundert wurden entdeckt, ihre topographische Anordnung erinnert an das altertümliche Rerik9. Rerik – das ist die dänische Bezeichnung einer Stadt, slawisch Weligrad, lateinisch Magnopolis. Nach bruchstückhaften Belegen aus verschiedenen Chroniken wurde dieser große Handelshafen, der sich unter Herrschaft von Roriks Vater befand, im Jahre 808 von König Gottfried, der aus dem älteren Zweig der dänischen Königsfamilie stammte, geplündert. Knapp ein halbes Jahrhundert später erschien auf der Bühne der Geschichte Rorik selbst, um in den Kampf um seine Rechte gegen Gottfrieds Sohn Horik zu ziehen. Dazu kommt, dass sich Rerik in Pommern befindet, und genau durch dieses Territorium verlief nach Nikolai Roerichs Worten später der schwedische Zweig seines Geschlechtes. Und dann ist die dänische Bezeichnung der Stadt gleichlautend mit dem Familiennamen des Künstlers. Alles Zufall?

Interessant ist auch, dass Nikolai Roerich, der die Geschichtsvorlesungen der Sankt Petersburger Universität belegte, im buchstäblichen Sinne des Wortes auf den Spuren seines Urahnen wandelte. Noch als Student ist der Künstler der Kaiserlichen Russische Archäologische Gesellschaft (IRAO) beigetreten, dessen Mitglied auf Lebenszeit er bis zum Ende seiner Tage blieb. In dem Buch "N.K. Roerich - der Archäologe" sind seine Arbeiten, die von seinen Zeitgenossen, aber auch in unseren Tagen hochgeschätzt sind, akribisch beschrieben. "Die skandinavische Frage" in der Vorrevolutionszeit interessierte den Gelehrten besonders. Im Jahre 1899 prüfte er "im Auftrag IRAO als erster Archäologe den momentanen Zustand der Objekte der Archäologie, die entlang des Großen Handelswegs 'vom Waräger Land nach Griechenland' gelegen sind"10. "Die Expedition Nikolai Roerichs hat das archäologische Studium des altertümlichen Nowgorod mit den Untersuchungen auf dem Rjurik-Wall aufgenommen"11. Fasziniert von den Überresten der grauen Vorzeit in der majestätischen Umgebung der russischen Natur hat Nikolai Roerich als erster Gelehrter vorgeschlagen, bei Nowgorod ein Freilichtmuseum zu errichten. Heute ist sein Traum der Verwirklichung nah: mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Kommission für das Kulturerbe wird auf dem Hügel Shum-Gora der Komplex "Fürstenberg" errichtet. Nach den Legenden, die Herrn Waldenfels so gar nicht gefallen, "sind hier Fürst Rjurik und 12 seiner Kampfgefährten begraben"12.

Jedoch hat sich der deutsche Autor, die Erzählung mit dem Stammbaum beginnend, weder für die neuesten Entdeckungen, die sich über Zusammentreffen im Leben von Rorik-Rjurik erstrecken, noch für Roerichs Tätigkeiten vor der Revolution, insbesondere auf dem Gebiet der Archäologie, interessiert. Dafür hingegen möchte er sehr gerne beweisen, dass die vornehme Abstammung Roerichs ein Mythos ist, und die Ähnlichkeit der Familiennamen Roerich-Rjurik – purer Zufall. Auch wenn ein späterer Vorfahr Nikolai Roerichs, wie man sagt, ein schwedischer General in Diensten Peters des Großen war, rechtfertigt dies nicht, dass der Künstler seinen Familiennamen in Beziehung zu den in Skandinavien häufig vorkommenden Familiennamen Rörich oder Roerich bringt.

Denn Roerich in verschiedenen Schreibweisen (Rörich, Röhrich, Roehrich usw.) ist ein verbreiteter deutscher Familienname, der, nach Meinung der Berater von Herrn Waldenfels von den Namen Röhricht oder Roderich abstammt. "Im schwedischen Telefonbuch jedoch finden wir nach langer Suche möglicher Varianten nicht mehr als elf Röricks und zwei Röhrichs. Aber keinen Rörich und keinen Roerich"13.

Das Telefonbuch Schwedens als niederschmetterndes wissenschaftliches Argument. Gibt es doch auch zum Thema Semantik des Namens eine Vielzahl von ernsthaften Studien. Heute halten ihn Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern, sich wieder auf die Daten der archäologischen Ausgrabungen stützend, für skandinavisch. Nach Meinung der Sprachwissenschaftler ist das altskandinavische Hrorekr (Hrerekr) aus zwei Wurzeln gebildet: dem altnormannischen hrodr (Ruhm, Sieg) und rikr (mächtig). (Sein altslawisches Analog ist Swjatoslaw, so nannte der Künstler seinen jüngeren Sohn.) Gleiche Bedeutung hat auch das altschwedische Rorik (Rjurik). Außer den erwähnten Hauptnamen fanden die Archäologen auch häufig deren Ableitungen Rurik, Rerik und Horikh in Runenschriften, wobei diese lange vor der Geburt des Fürsten Rjurik entstanden sind. Aber was interessiert das den deutschen Autor? Strebt er doch danach, "mit allen Mitteln die Persönlichkeit Nikolai Roerichs zu erniedrigen, ihm ein ihm wesensfremdes Bild zu verleihen, ihm geradewegs entgegengesetzte Ideen und Handlungen zuzuschreiben"14. So, zumindest hat es den Anschein, hat Nikolai Roerich, um Elena Schaposchnikowa heiraten zu können, die adligen Verwandten seiner zukünftigen Ehefrau getäuscht: "Als einzigen Beweis seiner angeblichen Herkunft legt er das Wappen der Familie 'Roerich' vor, das er, nach aller Wahrscheinlichkeit, selbst entworfen hat"15.

Wem hat Nikolai Roerich dieses Wappen vorgelegt, in welchem Jahr, unter welchen Umständen? Worauf sich die Behauptung des Autors des Buches gründet, es "selbst entworfen zu haben", ist nicht klar. Nebelschwaden verbreitend, hält es der Autor nicht für nötig, einen Verweis auf die Originalquelle zu geben. Ich kann mich nicht daran erinnern, im schriftlichen Nachlass der Roerichs Ähnliches entdeckt zu haben. Vielleicht geht es um den Besuch Nikolai Roerichs auf dem Gut des Fürsten Putjatin im Dorf Bologoje? Im Tagebuch Sinaida Fosdiks, der Direktorin des Nikolai Roerich-Museums in New York, stehen die Zeilen: "Er hat sich dort drei Tage aufgehalten. E.I. sagt, dass er sie für sich davon eingenommen hat, diplomatisch und feinfühlig das Gespräch auf das Alter des Familiennamens Roerich und sein Geschlechts gelenkt hat, und die ganze Familie Putjatin war von den historischen Stammbäumen begeistert"16.

Aber auch hier ist von einer Vorweisung des Wappens nicht die Rede. Das Thema des Gespräches ist vollkommen natürlich, wenn man berücksichtigt, dass der Hausherr sich in altertümlicher Geschichte auskannte.

Erneut ist aufzuklären, was in Wirklichkeit geschah. Nikolai Roerich begeisterte sich von Jugend an für Geschichte: er studierte skandinavische Literatur und Geschichte, sammelte allerorts vielfältige Erkenntnisse, insbesondere zur Heraldik und der Numismatik. Offenbar gab es nichts Interessantes während des Studiums in Paris aufzudecken, denn im Winter 1900/1901 schreibt er seinem Bruder Boris: «Wenn [zu] Dir [Li] lja kommt, so vergiss nicht sie zu bitten, unser Wappen (einfach einen Wachsabdruck, aber einen deutlichen) aus Riga mitzubringen. Mir scheint, es könnte gelingen, hier einige Einzelheiten in Erfahrung zu bringen, denn das Wappen könnte aus dem 9. oder 10. Jahrhundert stammen"17.

Wie aus der Bitte an die ältere Schwester Lydia ersichtlich, existierte das Familienwappen tatsächlich, und so bestand keine Notwendigkeit, es zu entwerfen. Seit dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts lebten in Lettland mindestens drei Generationen der Familie aus männlicher Abstammungslinie. In der erwähnten Zeitperiode lebte in Riga der Großvater des Künstlers, Fjodor Roerich, einer der Besitzer des Wappens. Ob der gesuchte Abdruck bei Nikolai Roerich angekommen war, ob er die Darstellung den zukünftigen Verwandten gezeigt hatte – einen Beweis dafür habe ich nicht finden können. Aber das Studium des Stammbaums setzte er fort, wobei ihm enge Freunde halfen. Im Jahre 1904, das heißt, drei Jahre nach seiner Hochzeit, schickte die Fürstin Tenischewa an Nikolai Roerich ein Buch, in dem, nach seiner Beurteilung, für die Rekonstruktion des Wappens wichtige Details und Farben enthalten waren. Hier handelt es sich schon nicht mehr um das Wappen seines Großvaters Fjodor, sondern um das Wappen des Begründers des Familienstammbaums, des Wikingers Rorik. Diesen trennt ein Zeitabschnitt von tausend Jahren von den späten Vorfahren Nikolai Roerichs. Dem Kurländer Wappen des 19. Jahrhunderts widerfuhren zweifellos Änderungen im Vergleich zum ursprünglichen Wappen. Es ist nicht überliefert, von welchen Beweggründen Nikolai Roerich sich in seinen heraldischen Forschungen hat leiten lassen. Es ist lediglich das Endergebnis bekannt: das Wappen Roriks wurde auf dem Briefpapier des Künstlers verwendet, und Swjatoslaw Roerich hat es auf einem Porträt seines Vaters dargestellt.

Dies ist eine der Besonderheiten "der Forschungshandschrift" des Autors: "… die Methode der Behauptung fehlender Tatsachen und der Verheimlichung der vorhandenen"18. Die Wahrhaftigkeit dieser Einschätzung werde ich erneut anhand des oben betrachteten Ausspruchs von Herrn Waldenfels illustrieren, denn es ist schlicht unmöglich, über die Phrase "angebliche Herkunft" Nikolai Roerichs hinwegzugehen. Die Belege für das kurländische Geschlecht der Roerichs werden in mehreren staatlichen Institutionen der baltischen Länder aufbewahrt. Ein solides Archiv befindet sich auch Lettland, in Verfügung einer der ältesten Roerich-Gesellschaften, die noch zu Lebzeiten des Künstlers gegründet wurde. Jedoch fehlen im Buch des deutschen Autors Verweise auf die baltischen Archivare und Kunstwissenschaftler. Hier tritt sein Berater zu Fragen des Familienstammbaums auf: der Arzt Ivars Silars, der den Artikel "Die Roerichs in Kursem. Legenden und Archivdokumente" schrieb19. Die Tendenziosität des Artikels im Zusammenspiel mit der Haltlosigkeit der Beweisgrundlagen sind den Blicken der lettischen Öffentlichkeit nicht verborgen geblieben. Studierte doch Nikolai Roerich die lettische Kultur und war mit vielen bekannten lettischen Kulturschaffenden befreundet, und auch seine Vorfahren wohnten nicht im luftleeren Raum. Aber für die Liebhaber sensationeller Aufdeckungen gilt mehr als denn je: nicht auf jedes Mündchen kannst du ein Tuch auflegen. Eine derart kühle Beziehung hätte dem "lettischen Zerstörer der Legenden" nicht gefallen. Ein halbes Jahr später erschien eine zusätzliche Variante, jetzt schon mit der Schlagzeile "Der Großvater Nikolai Roerichs - Roerich oder von Ropp?", im Internet20. Der Inhalt ist derselbe. Es stellt sich heraus, dass im Geschlecht Nikolai Roerichs jede Menge deutsche Handwerker sind: der Ur-Urgroßvater war Schuhmacher, der Urgroßvater war Schneider, der Vater illegitim, und der Großvater war überhaupt ein gewisser Baron von der Ropp. Beweise gibt es keine, nur Hypothesen, die eine sorgfältige Prüfung unter Einbeziehung auch anderer Quellen erfordern würden. Ivars Silars jedoch präsentiert sie mit der Überzeugungskraft eines Augenzeugen, wie eine unbestreitbare Tatsache, als ob er persönlich am Kopfende des Ehelagers mit der Kerze in den Händen gestanden hatte. Herr Waldenfels ist voller Begeisterung: Roerich ist deutscher Herkunft! Sein Familienname - Roderich. Das muss den deutschen Lesern doch gefallen. Und nahe am Text erzählt er die Version von Ivars Silars nach und gibt sie als bare Münze aus.

"Supergenaue Ermittler"

Wie wir sehen, hat es der deutsche Autor von der ersten Zeile des Buches an für opportun gehalten, einen Schatten auf seinen Protagonisten zu werfen. Die Lektüre der weiteren Kapitel hat die negativen Beurteilungen seines Buches durch professionelle Experten bestätigt. Tatsächlich hat der Lebensweg und das Schaffen Nikolai Roerichs Herrn Waldenfels genau in jenem Maß interessiert, wie es notwendig war, um die einzelnen Episoden seines Lebens an seine Sichtweise anzupassen. "Die Forschung" bestand in der kritiklosen Weitergabe von Ansichten der sogenannten Anhänger der neuen Betrachtung der Roerichs, verdünnt mit ausgedehnten Kommentaren des Autors über nach seiner Ansicht sensationelle Episoden. Der Chefideologe der Gruppe der Informanten "des Biografen", mit Namen in der Danksagungsliste aufgezählt, befindet sich jenseits des Atlantiks. Es ist der Direktor des Roerich-Museums in New York, Daniel Entin, der mit beneidenswerter Regelmäßigkeit seine Nichtachtung der Familie Roerich demonstriert, dank deren schöpferischen Erbes die ihm unterstellte Institution existiert. Einige seiner Handlungen, wie zum Beispiel die, ungeachtet ihres Willens und der Urheberrechte, dem Verlag "Sphäre" für die Publikation überlassenen Kopien der Tagebücher Helena Roerichs, tragen offensichtlich schädliche Züge21. Für den Hauptverräter der Roerich-Sache, Louis Horch, hat der Direktor des Museums großes Mitgefühl. Für Herrn Waldenfels ist sein transatlantischer Kollege eine unumstößliche Autorität. Und deshalb wird im Buch Louis Horch, der Nikolai Roerich und seine Mitstreiter beraubte, als wohltätiger Mäzen vorgestellt, der alle Kosten aus der eigenen Tasche beglich22.

Wie verhielt sich die Sache aber tatsächlich? Bis zum Jahre 1922, als sich der Börsenmakler Louis Horch als einer der Letzten der Gruppe der amerikanischen Mitarbeiter Nikolai Roerichs anschloss, kannte Amerika den russischen Künstler nur dem Namen nach. Die Gemäldeausstellungen gingen mit grandiosem Erfolg durch mehrere Großstädte, in New York war das von ihm gegründete Master Institute of United Arts tätig. Waren die Ideen des Künstlers doch wie eine sprudelnde Quelle, die die Menschen durch Schönheit und Edelmut verzauberte. Und tatsächlich, bald darauf schon entstanden auch das Internationale Kunstzentrum "Corona Mundi», das Nikolai Roerich-Museum und weitere Institutionen. Louis Horch äußerte ebenfalls den Wunsch, an den perspektivischen Vorhaben teilzunehmen, für die viele Menschen Geld spendeten. Er hat sich bei den Spenden mit einem unentgeltlichen Beitrag in Höhe von 500.000 Dollar beteiligt und nahm darüber hinaus ein Darlehen in Höhe von weiteren 600.000 Dollar auf. Dieses Geld investierte er in die Institutionen mit einer jährlichen Verzinsung von 4%. Es ist nur natürlich, dass eine derartige Aufopferung bei den Kuratoren hohe Anerkennung hervorrief. Deshalb wurde der Bitte, als Louis Horch den Wunsch ausgesprochen hatte, alle finanziellen Geschäfte der Roerich-Institutionen zu führen, umgehend entsprochen. Und Nikolai Roerich wiederum, der oft unterwegs war, überließ ihm sowohl seine persönlichen Mittel, als auch die Vollmacht für die Geschäftsleitung in seinem Namen. Dann wurde auf der Welle des Erfolges entschieden, ein Hochhaus zu errichten. Drei Stockwerke darin wurden den Institutionen überlassen, die übrigen wurden als Wohnungen vermietet. Die Kuratoren bekamen ein lebenslanges Nutzungsrecht nur für die Wohnungen, der Wolkenkratzer selbst ging später an Horchs Sohn Flavio über.

Die Beteiligung am umfangreichen kulturellen Aufbau hat den sozialen Status Louis Horchs grundlegend verändert: der ehemalige Börsenspekulant wurde Finanzchef einer großen Gesellschaft mit einem umfangreichen Netzwerk ihm früher nicht zugänglicher Beziehungen und Bekanntschaften. Und die von den Spendern gewährten Mittel legten den Grundstein für die Aktivitäten der Institutionen: "Für diese gespendeten Summen wurden auch von ihm (Horch. – O.S.) ausgewählte Grundstücke mit allen Gebäuden erworben, Bilder für das Museum, eine umfangreiche Kollektion von Werken alter Meister, Einrichtungsgegenstände, weiterhin gehören dazu sämtliche Kosten für ein 14-jähriges vielfältiges Kulturleben und Bilder für das Museum…"23.

Was die Bilder anbelangt, so verhielt sich die Sache so. Am 24. Juli 1929 hat der Kuratorenrat einstimmig eine Deklaration verabschiedet, in der das Roerich-Museum zum Eigentum des amerikanischen Volkes erklärt wurde. Im Oktober 1935 legte Nikolai Roerich im Bilderverzeichnis fest: "Im offiziellen Museumskatalog der Jahre 1929-30 sind alle Bilder gekennzeichnet, die zum Inhalt der festgelegten Deklaration zählen. Dabei teilen sich diese im Katalog festgelegten Bilder in zwei definierte Gruppen. <…> Und somit ist die erste Gruppe der Bilder, die bis zur Abreise nach Indien entstanden sind, das heißt bis zum Mai 1923, das bedingungslose Eigentum des Museums, ob für Geld erworben oder dem Museum von Herrn Horch gespendet. Die zweite Gruppe, Bilder, entstanden in Asien von 1923 bis 1929, wurde von mir an das Museum übergeben zu einem Preis, der vom Treuhänderrat mit 200.000 Dollar festgelegt wurde. Da der Museumsrat diese Summe nicht verfügbar hatte, wurde zur Bedingung gemacht, dass diese Summe in der Institution verbleibt unter der Bedingung der Zahlung von Jahreszinsen in Höhe von 4%. Diese Zinsen bekomme ich wegen der Knappheit von Mittel in der Institution nicht."24.

Wie wir sehen, war Nikolai Roerichs Beitrag für die gesamte Angelegenheit genauso groß. Genauer betrachtet war er sogar erheblich größer, wenn man seine hohe internationale Anerkennung als Künstler und Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, die Gesamtführung der Institutionen und die zahlreichen von ihm vorgebrachten Ideen berücksichtigt. Von 1923 bis 1928 fand die wissenschaftliche Zentralasiatische Expedition statt, die unter amerikanischer Flagge verlief. Allein die Tatsache ihrer Organisation durch die Institutionen erhöhte ihre Autorität um ein Vielfaches. Im Jahre 1928 überwies Louis Horch auf das Konto der Expedition ungefähr 100.000 Dollar. (Die Summe ist nicht so bedeutend, wenn man sie auf sechs Jahre verteilt, wobei Nikolai Roerich, seine Ehefrau und der ältere Sohn keine Bezüge bekamen.) Zu diesen Mitteln gehörten auch Geld vom Verkauf der Bilder, die sich im Eigentum des Künstlers und der Mitglieder seiner Familie befanden, Geld, die sie für ihre Tätigkeit in den Institutionen bekamen sowie Spenden einer Reihe von Leuten. Und ein Jahr später brach in Amerika die Wirtschaftskrise aus, und alle mussten ihre Gürtel enger schnallen. Seine Situation hat auch Louis Horch selbst verschärft: in der Hoffnung, die zukünftigen Einkünfte aus dem Haus zu vergrößern, hat er zum Entwurf des Gebäudes noch einige Stockwerke hinzugefügt. Dadurch hat sich die Summe der mit der Bank vereinbarten Kreditrückzahlungen, nochmals erhöht. Und als dann der Finanzdirektor seine Halbmillionenspende für das Museum vergaß, nachdem sie in die Gesamtsumme der Schulden der Institutionen aufgenommen war, erregte dies den Unmut bei den Kuratoren: "… Logv [an] (L. Horch – O.S.) will sein gesamtes Geld, sogar mit den Zinsen für diese sechs Jahre, zurückbekommen. Das heißt, er hat sein Kapital sehr gut angelegt, (den Anteilseignern- O.S.) das Geld borgend, und jetzt wird er sogar 6 % zurückbekommen. Sogar die Tatsache, dass in dieser Zeit das Geld weniger wert wurde, es gab die Krisen, ficht ihn nicht an, weil er alles will. Das heißt, von seiner Seite gab es kein Geschenk, das Museum wurde nicht von ihm gegründet. Wir sind von allem buchstäblich getroffen. Aber N.K. hat uns sogar verboten, mit ihm darüber auch nur ein Wort zu verlieren…"25.

Schweren Herzens haben die Mitglieder des Kuratoriums die Umsetzung des von Nikolai Roerich vorgeschlagenen Planes zu einer umgehenden Rückzahlung des Geldes an Louis Horch begonnen. Allem Anschein nach hat er gerade in jener Zeit, erfasst von der Angst, die Einlagen zu verlieren, den Verrat erdacht. Insbesondere bat er die Mitarbeiter, Papiere ohne Durchlesen zu unterschreiben. Dass die ganze Arbeit auf Vertrauensbasis gebaut war, beachtete er wenig. Äußerlich ging alles wie üblich, es wurden schöne Worte an die Adresse Nikolai Roerichs gerichtet. Und plötzlich die Wendung um 180 Grad: im Jahre 1935 bemächtigte sich der Finanzdirektor aufgrund gefälschter Dokumente des gesamten Eigentums der Institutionen und beschuldigte Nikolai Roerich und andere Kuratoren vieler Todsünden. Zwei von ihnen, Nettie Horch und Esther Lichtmann, stellten sich auf seine Seite.

Später beleuchten Elena Roerich in ihren Briefen und Nikolai Roerich in seiner Denkschrift № 1026 sowie in anderen Dokumenten jener Periode die reale Sachlage von allen Seiten. Herr Waldenfels jedoch führt den Standpunkt von Nikolai und Elena Roerich, in ausführlichster Weise dargelegt im 3. und 4. Band der "Briefe von Elena Roerich", herausgegeben vom MZR, nicht an. Die Bezeugungen Sinaida Fosdiks, insbesondere die malerische Erzählung darüber, wie Horch auf Lastkraftwagen wertvollste Exponate des Nikolai Roerich-Museums im Schutz der Nacht wegschaffte, hat er ebenfalls ignoriert, obwohl er in einer Reihe anderer Fälle gern ihr Tagebuch verwendet hat. Anstatt die Erinnerungen der Feinde Nikolai Roerichs kritisch zu bewerten, begegnet er ihnen mit Verständnis und Mitgefühl. Und hier haben wir das Ergebnis: Ein Rezensent des Buches von Herrn Waldenfels, Magnus Zawodsky, empfahl so den deutschen Lesern die oben beschriebene Episode auf den Seiten der Zeitung «Nürnberger Zeitung": "Er (Nikolai Roerich – O.S.) fand einen Mäzen, den Börsenspekulanten Louis Horch. Der baute für ihn ein Hochhaus und richtete ihm darin eine Schule und ein Museum ein. Damit nicht genug, ließ er (Horch – O.S.) ihm bei Bedarf immer wieder einmal 100000 Dollar zukommen. Und Roerich hatte einen enormen Bedarf"27.

Aber wenden wir uns nun den russischen Informanten von Herrn Waldenfels zu – Oleg Schischkin, Alexander Andrejew und Wladimir Rosow, hinter denen sich die Schleppe der Berühmtheit im schlechten Sinne des Wortes herzieht. Oleg Schischkin betrat als Erster den schändlichen Weg der Verleumdung gegen Nikolai Roerich. In seiner Interpretation war der große Künstler und Friedensstifter ein Agent des russischen Geheimdienstes. Das MZR hat vor Gericht geklagt und gewonnen: den Pasquillanten hat man des Verbreitens von "nicht der Wahrheit entsprechenden" Informationen, die Nikolai Roerich und die Mitglieder seiner Familie verleumden und die ihre Ehre und Würde verletzen, für schuldig gesprochen"28.

Das Wesen der Angelegenheit bestand darin, dass die Agenten des GPU [Geheimpolizei der Sowjetunion – Anm. d. Übers.] die Bewegung der Expedition Nikolai Roerichs durch die Weiten Asiens verfolgten, worüber sie dem Zentrum regelmäßig Bericht erstatteten. Die Akte mit ihren Erkenntnissen hat der Auslandsnachrichtendienst Russlands dem MZR anlässlich einer internationalen Konferenz übergeben. Damals wurde die Erklärung verlautbart, dass, wenn eine Person gemäß Gesetz über Gegenspionage kein Geheimdienstmitarbeiter ist, die Daten über ihn offenzulegen sind. Dies betrifft nicht die professionellen Mitarbeiter der unsichtbaren Front; ihre Akten sind ewig in den Archiven aufzubewahren. Nichtsdestoweniger erschien das Thema "Roerich und der Geheimdienst" dem deutschen Autor als vielversprechend. Aber Klartext ist wertvoller: das Gerichtsurteil bleibt in Kraft. Herr Waldenfels ist gezwungen mitzuteilen, dass "nicht alles, was Schischkin in seinem Bestseller schrieb, die Wahrheit war", und hinterher – eine Verbeugung in Richtung des Verleumders: «Aber Schischkin war ein geradezu supergenauer Ermittler im Vergleich zu denen, die lediglich auf seinen Spuren folgten"29.

Das Dilemma "es ist verboten, aber man möchte gerne…" zu lösen hat einer von "denen, der auf seinen Spuren folgte", geholfen - Alexander Andrejew aus Sankt Petersburg, der dem Autor, laut der bereits oben erwähnten Danksagungsliste, "viel Material" zur Verfügung gestellt hat. Allem Anschein nach ist ein Teil davon in die im Jahre 2011 unter seiner Redaktion veröffentlichte Sammlung "Die Roerichs: Mythen und Fakten" eingeflossen. In ihr wird folgende programmartige Einstellung postuliert: "Die Zeit ist gekommen, auf übermäßig vereinfachte Erläuterungen des religiös-mystischen (?!, - O.S.) Erbes des Ehepaars Roerich zu verzichten und … diesen Erläuterungen ein streng wissenschaftliches Herangehen entgegenzusetzen. Es ist viel wichtiger, die Worte und die Taten der Roerichs zu analysieren und zu beurteilen. Aber dafür muss man Fragen stellen und anzweifeln, was zweifelsfrei scheint, nämlich: die Roerich-Mythen (Mythologeme) sowie alles, was die Roerichs über sich selbst und "die kosmischen Lehrer berichteten" (von mir hervorgehoben. – O.S.)"30.

Die Sammlung eröffnet ein Artikel des uns schon bekannten Arztes Ivars Silars, der größten "Fachkraft" im ganzen postsowjetischen Raum für die Genealogie Nikolai Roerichs und großen Liebhabers der Fragestellerei. Die Autorin des zweiten Artikels betrachtet das künstlerische Schaffen des großen Künstlers "durch das Prisma der Konzeption des Kitsches"31. Diesmal werde ich die Aufmerksamkeit der Leser nicht mit einer vorläufigen Translation von Herrn Waldenfels beanspruchen. Ich gehe geradewegs zur "Nürnberger Zeitung" über, die nach den Worten des den Lesern bereits bekannten Magnus Zawodsky berichtete, dass Roerich Kitsch gemalt hat. Freilich blieb der deutsche Leser so auch in Unwissenheit über jene Preise, zu denen heute die Gemälde Nikolai Roerichs gehandelt werden. Und welche Schlachten schlagen bis in unsere Tage die "Neubetrachter" in ihrem Streben, sich die Meisterwerke des großen Malers illegal anzueignen.

Aber kehren wir nun wieder zum obenerwähnten Dilemma zurück. Der Geheimdienst der Stalinzeit - der Steckenpferd von Alexander Andrejew. Über wen er auch schrieb – Nikolai Roerich geht im Hintergrund vorbei: man muss "anzweifeln, was zweifelsfrei scheint". An genau diese Taktik hält sich auch Herr Waldenfels. Lange und stumpfsinnig erzählt er die Worte Alexander Andrejews über solch tragische und ungewöhnliche Figuren wie den Spion Gleb Bokii und den Wissenschaftler Alexander Bartschenko nach. Der Leser schläft beinahe über die monotone Erzählung ein, als plötzlich der Name Roerich fällt (als ob das berüchtigte 25. Bild in der Werbung auftaucht). Vollkommen harmlos taucht so auf: angeblich gehören Roerich und Bartschenko zu ein und derselben Generation. Weiter wird Nikolai Roerich als "Verkörperung der Unbestimmtheit" beschuldigt, und dies sei angeblich eine Taktik, die "von Gurus und Hochstaplern in aller Welt geschätzt wird"32. Und schließlich, nach einer Serie ähnlicher Unterstellungen, trifft der Autor auf Grundlage einer Tagebuchaufzeichnung Sinaida Fosdiks eine weitreichende Schlussfolgerung: "Dies ist nicht der einzige Beleg für eine enge Zusammenarbeit Nikolai Roerichs mit der Geheimpolizei"33.

Halten wir hier wieder inne, um das wirkliche Bild wiederherzustellen. Wie bekannt führten Nikolai Roerich, der die Zentralasiatische Expedition zweitweise unterbrach, einige wichtige Angelegenheiten nach Moskau. Eine von ihnen betraf die amerikanische Gesellschaft "Beluga", die auf dem Territorium des Altai die geologische Erkundung von Bodenschätzen durchzuführen plante. Der Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten, Georgi Tschitscherin empfing den Künstler, berichtete dem Politbüro über den Brief Mahatmas, und den Leitern der Gesellschaft "Beluga" empfahl er, sich an den Aufklärungsdienst, konkret an den Leiter der internationalen Abteilung des GPU, Michail Trilisser, zu wenden. Die Eheleute Lichtmann haben exakt so gehandelt, denn wie anders konnten sie die Genehmigung für die Durchführung der Arbeiten auf dem Territorium eines ausländischen Staates bekommen. Die Idee der Wirtschaftskontakte mit Amerika fand Verständnis, was Sinaida Fosdik (damals den Familiennamen Lichtmann tragend) auch in ihrem Tagebuch niederschrieb. Und die Tatsache, dass das Gespräch Schambala streifte, ist vollkommen natürlich. Im GPU, wie auch in anderen Geheimdiensten der Welt, zeigte man Interesse an diesem Thema. Im Endeffekt, nach dem Niederschreiben vieler Seiten, die mit ständigen Fragen und Annahmen übersät sind, gibt Herr Waldenfels, sich selbst widersprechend, mit Bedauern zu: "Wann genau und mit welchen Vertretern der GPU sich Nikolai Roerich im Jahre 1926 getroffen hat, ist unmöglich festzustellen"34.

Aber der Autor ist nicht in der Lage einzugestehen, dass sich das "Zweifelfreie" niemals dem Zweifel ergibt. Die aufdringliche fixe Idee, den Namen eines großen Menschen mit dem Geheimdienst, dessen Tätigkeit die Menschen in leise Schrecken versetzt, in Verbindung zu bringen, zwingt ihn, sich an die Periode zwei Jahre zuvor zu wenden. Und, sich von den Ausarbeitungen von Alexander Andrejew abwendend, in denen ein gewisser Dmitri Borodin figuriert, nimmt "der Biograf" endlich die Fährte auf35. Das nötige Material befindet sich in den Tagebuchaufzeichnungen von Sinaida Fosdik. Damals befand sich das Projekt der Gesellschaft "Beluga" noch im Anfangsstadium, und Nikolai Roerich traf sich natürlich mit den Menschen, die fähig waren, in der beabsichtigten Sache zu helfen. Wir lesen: "Tagsüber fuhr N.K. zu Besuch zu Borodin, um über die Standorte für die Konzessionen im Altai zu sprechen. Jener hat ihn wunderbar empfangen, hat alles eingerichtet und die Briefe an die benötigten Leute nach Moskau ins Auge gefasst"36. Hier braucht man nichts erdenken, alles ist klar. Der Autor liest sich in die nächste Aufzeichnung ein, die anderthalb Monate nach der ersten verfasst wurde: "Borodin ist gekommen, er sprach lange mit N.K., hat mit Montreal telefoniert und hat dafür gesorgt, dass N.K. nicht dorthin fahren brauchte, da man von dort das Telegramm nach Paris schicken wird"37. Also, endlich roch es nach Gebratenem! Und Herr Waldenfels, in vollem Einvernehmen mit den Einstellungen der "Neubetrachter" beginnt mit dem Stellen von Fragen: "Um was ging es in dem Gespräch? Was war der Anlass für Nikolai Roerichs Reise nach Montreal?" Es gibt wieder keine Antworten, doch die Leidenschaft will eine strenge "wissenschaftliche Analyse" mit dem Ziel, die zu untersuchende Erscheinung zu "entmystifizieren".

Und so wird das schlussendliche Ergebnis dem Aufwand nicht gerecht: "Mit wem musste sich Nikolai Roerich in Montreal treffen, wer wollte den Künstler persönlich in Augenschein nehmen, bevor er ihn nach Paris und Berlin weiterempfahl? Wir wissen es nicht, können aber vermuten, der Künstler sollte ein letztes Mal überprüft werden. Und da derartiges in den Kompetenzbereich der Geheimpolizei fiel, ist anzunehmen, dass es ein Vertreter eben dieser Organisation war, den Nikolai Roerich aufsuchen sollte (von mir hervorgehoben – O.S.)"38.

Weiterhin werden diese unbegründeten Annahmen als eine nicht die dem Zweifel unterliegende Tatsache dargelegt. Am Ende des Buches fixiert Herr Waldenfels erneut bewusst die Verleumdung im Bewusstsein der Leser: "… sind immer mehr Dokumente ans Licht gekommen, die die enge Zusammenarbeit der Roerichs mit der sowjetischen Geheimpolizei belegen, …"39.

Nun, was soll man hier sagen? Es scheint, dass der Autor unter die Einwirkung ausgedachter Konzeptionen der "supergenauen Ermittler" geraten ist und ernsthaft meint, dass sich eine vielfach wiederholte böse Lüge mit Hilfe magischer Wörter wie "wie man mutmaßen kann", "überaus wahrscheinlich" "mit hohem Maß an Glaubwürdigkeit" in wissenschaftlich fundierte Wahrheit verwandelt.

Man muss sich schon wundern, das alles oben Beschriebene eine ähnliche Einschätzung bekommt: "Ernst von Waldenfels führt den Lesern Nikolai Roerich als mittelmäßigen Künstler und Abenteurer vor, der für Ruhm, Macht und Geld vor der Zusammenarbeit mit den sowjetischen Sonderdiensten nicht Halt machte. Die im Buch enthaltenen Nachrichten stellen in verzerrter, verleumderischer Form das Leben, das Schaffen und den Maßstab der Persönlichkeit des großen Künstlers, Schöpfers von mehr als siebentausend Gemälden, eines Denkers und Humanisten, des Verfassers des ˈRoerich-Paktesˈ zum Schutz von Kulturgütern dar"40.

Sir Muccio und das Neue Land

Und schlussendlich stellt uns Herr Waldenfels Wladimir Rosow vor, "den Entdecker 'des Großen Planes', der die Zeit gefunden hat, um ihm alle Schwierigkeiten zuzuschreiben", die im Zusammenhang mit diesem Plan auftauchen41.

Damit der Leser den Grund für das Letztgesagte vollumfänglich erfährt, erlaube ich mir einen kleinen Exkurs. Heute achten die Historiker, die die Seiten des Lebens großer Menschen durchblättern, immer häufiger auf die Intensität der Verwendung der Äsopischen Sprache durch sie, deren Sinn sich nur denen erschließt, die "im Thema" sind. Zurückhaltung ist vollkommen natürlich, da die Liebhaber des heimlichen Zuhörens und Beobachtens eines fremden Lebens mit unredlichem Ziel zu allen Zeiten existierten. So zum Beispiel verwendete Cosimo Medici in einem Brief an seinen Cousin, im Zusammenhang mit einer Konfliktsituation, folgende Wendung: "… so werden wir also der Macht des Sir Muccio folgen".42 Das hat den Forscher, eine russische Wissenschaftlerin, die einem Menschen mit solchem Namen weder in der Umgebung der Medicis, noch im politischen Gesichtskreis Italiens begegnet war, verblüfft. Allerdings kam ihr nicht in den Sinn, den Herrscher von Florenz als in irgendetwas unwürdig zu beschuldigen. Die Quellen durchforstend klärte sie auf, was das oben angeführte Idiom bedeutet –einen Scherz, mit Hilfe dessen Cosimo vorschlug, die in den Beziehungen entstandenen Spannungen zu entschärfen. In gleiche Situation geriet auch Wladimir Rosow, als er in den Schriftverkehren der Roerichs und ihrer Mitstreiter den Terminus "Das Neue Land" entdeckte. Allerdings hat er sich im Gegensatz zu seiner Kollegin nicht mit der Suche des wahrhaften Sinnes belastet, sondern … hat sich ein ihm für die Dissertation vielversprechend scheinendes Schema für die Betrachtung des Lebens und Schaffens Nikolai Roerichs ausgedacht. Und, nachdem er die unter diesem Schema in den transatlantischen Archiven aufgedeckten "Beweise" angepasst hatte, hat er daraufhin als Ergebnis seinen eigenen "Großen Plan" dem durch Friedenstätigkeit bekannten Künstler zugeschrieben.

Die Verteidigung zum Erhalt der Doktorwürde erfolgte im engen Kreis, ohne Benachrichtigung des MZR, denn: "der Doktorand, der schon viele Jahre wusste, dass die Experten des MZR die Hauptkritiker seiner beiden Monografien als Grundlage seiner Dissertation sind, hat vor dem MZR die Tatsache der Verteidigung an der Sankt-Petersburger Universität im Jahre 2005 verheimlicht".43

Als man sich im MZR mit dem Inhalt der Dissertation vertraut gemacht hatte, stellte sich heraus, dass sie nur wenige Gemeinsamkeiten mit dem publizierten Autoreferat "Die Russisch-Amerikanischen Expeditionen Nikolai Roerichs nach Zentralasien (1920-1930) hat". In ihm ist das Thema "politische Tätigkeit" Nikolai Roerichs nur ein Randgebiet, in der wissenschaftlichen Arbeit hingegen ist es Hauptdominante. Wobei dem hervorragenden Denker, der sein ganzes Leben abseits von der Politik verbrachte, das Vorhaben zugeschrieben wurde, mit Waffenmitteln einen unabhängigen Staat in Zentralasien errichten zu wollen.

Das MZR hat Wissenschaftler, spezialisiert auf dieses Thema sowohl in Russland als auch im Ausland, gebeten, "den Großen Plan" zu analysieren. Diese haben ebenfalls "die Bemühungen des Autors festgestellt, Nikolai Roerich von einem hervorragenden Kulturschaffenden in einen abenteuerlichen Geopolitiker umzuwandeln, der praktische Handlungen vollzog, die auf die Bildung eines gewissen unabhängigen Staates auf Kosten der Hoheitsgebiete Russlands (Sibirien), der Mongolei und Chinas abzielten"44.

Anschließend hat sich das MZR an hohe wissenschaftliche Instanzen mit der Bitte gewandt, eine öffentliche Diskussion der Dissertation durchzuführen. Die Motivation hierfür war der Wunsch, eigene Argumente zu bringen und die Argumente von Wladimir Rosow selbst, aber auch die der Gelehrten zu hören, die es ermöglichten, ihm die Doktorwürde zu verleihen. Hören wir mal, wie Herr Waldenfels die Aktivitäten des MZR interpretiert: "…, als es darum ging, den Historiker Wladimir Rosow, der zehn Jahre über Roerich und seinen großen Plan geforscht hatte, (von mir hervorgehoben – O.S.), zu diskreditieren, schafften es seine Gegner gerade noch, sich eine Artikelserie in der radikal- oppositionellen "Nowaja Gaseta zu erkaufen"45.

Die unwürdigen Unterstellungen gehen in Gänze auf das Gewissen des Autors. Richtig in diesem Absatz ist lediglich, dass das MZR die Presse zu Hilfe gerufen hatte, um seine Position der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich zu machen, da die gegen die Verteidigung der Dissertation Rosows aufgetretenen Wissenschaftler des MZR und anderer Organisationen zur öffentlichen Diskussion nicht zugelassen wurden. Und erst nach der Intervention des Vorsitzenden des WAK (Oberste Prüfungskommission – Anm. d. Übers.) in der öffentlichen Sitzung der Abteilung für Historisch-Philologe Wissenschaften der Russischen Akademie der Wissenschaften fand eine Diskussion statt. Die "Nesawisimaja Gaseta" hat mit überaus großer Ausführlichkeit dieses nach ihren Worten beispiellose Ereignis an das Licht der Öffentlichkeit getragen.46

Während der Erörterung haben die Wissenschaftler des MZR den frischgebackenen Doktor der historischen Wissenschaften gebeten, der hohen Versammlung Beweise aus dem schöpferischen Erbe Nikolai Roerichs vorzulegen, die zugunsten des "Großen Planes" sprechen, sowie den Anwesenden über in der Geschichte existierende Präzedenzfälle zu berichten, als eine kleine Expeditionsgruppe ein ähnlich breit angelegtes Ziel verwirklicht hat. Der unglückliche Rosow war blass und wand sich buchstäblich wie auf heißen Kohlen, weil seine böswillige Absicht, einen großen Menschen zu verleumden, nun für alle offensichtlich wurde. Das Akademiemitglied Jewgeni Tschelyschew hat das wahrhafte Ziel der Dissertation präzise enttarnt: "… ist es eine Revision der Betrachtung Roerichs. Das ist es, was sich im Zentrum der Aufmerksamkeit der Dissertation befindet…". "Wir können nicht … unsere Aufmerksamkeit davor verschließen. Die wichtigsten Sachen: das Bild Roerichs wurde in einer völlig anderen Art neu definiert, und dies entspricht nicht der Wirklichkeit. Dass ist das Wichtigste. Ein verzerrtes Bild Roerichs wird vorgestellt. Ist das nicht klar?"47.

Absolut klar - doch ist dies eben das Hauptziel der Anhänger "des neuen Blickes auf die Familie Roerich". Gerade dieses Ziel ist unter dem Deckmantel pseudowissenschaftlicher Phraseologie im schon erwähnten Fragment aus der Sammlung "Die Roerichs: Mythen und Fakten" verborgen. Aber es ist eine Sache, derartige Dummheiten zu sagen und zu schreiben. Eine ganz andere Sache aber ist, sie in wissenschaftlichen Umlauf zu geben, damit die anderen Rosows, Andrejews usw. mit diesen in die Lage versetzt werden, sich auf diese zu beziehen.

Das MZR hat die Experteneinschätzungen der Dissertation präsentiert:

-Das Institut der russischen Geschichte der Russischen Akademie der Wissenschaften: "Die Hauptthese des Autors, dass "beide Expeditionen … unmittelbar mit der Idee initiiert waren, einen mongolisch-sibirischen Staat aufzubauen" (S. 364), blieb ohne Bekräftigung durch überzeugende Belege in den Quellen"48.

-Das Winogradow-Institut für Russische Sprache der Russischen Akademie der Wissenschaften: "Die Analyse des in der Dissertation zitierten Materials zeigt, dass die Beurteilungen, Erklärung und Vorstellungen Nikolai Roerichs … grundsätzlich nicht bestätigt werden durch Fragmente aus den Werken, die Roerich selbst geschrieben hat (derartige Fragmente machen in der Arbeit insgesamt 11 % der Gesamtanzahl der Zitate aus), sondern durch Extrakte aus … Texten anderer Personen. Dies lässt sich sogar in jenen Fällen beobachten, in denen von "weltanschaulichen Einstellungen" Nikolai Roerichs die Rede ist. Der Autor verwendet ausgedehnt das Zitieren von Sekundärquellen auch dann, wenn es sich um Situationen handelt, die in der Dissertation von grundsätzlicher Bedeutung sind" (von mir hervorgehoben – O.S.)49.

Über Selbiges geht es auch in anderen Auftritten. So hat sich Akademiemitglied Jewgeni Tschelyschew geäußert, indem er eine besondere Aufmerksamkeit auf die uns schon durch die Schreiberei des Herrn Waldenfels bekannte Manier der "Neubetrachter" richtete, ausschließlich mit Hilfe des Konjunktivs zu sprechen: "Ich könnte noch sehr viel mehr solcher "wahrscheinlich" und "soll eigentlich" anführen. Es wird eine allgemeine Atmosphäre erzeugt. Das sind keine Beweise. Beweise haben schriftliche und sehr präzise Verweise auf die Quellen zu sein, weil Sie ein sehr heikles Problem berührt haben. Beweisen Sie doch, dass es eine neue Sichtweise ist, dass sie ein Recht auf Existenz hat. Oder es sind Ihre Gedanken, lediglich Gedanken, die nicht durch Fakten bestätigt sind"50.

Und zum Schluss - ein sprachwissenschaftlicher Beschluss zur Dissertation durch das Winogradow-Institut der Russischen Sprache an der Russischen Akademie der Wissenschaften: "Die sprachlichen Mittel, mit deren Hilfe in der Arbeit das Bild Nikolai Roerichs gestaltet wird, sind in ein bestimmtes System gebracht. Die Analyse dieser Mittel … deckt die offensichtliche Tendenziosität und die Neuerstellung eines Bildes Nikolai Roerichs, der Tätigkeit des Künstlers und seiner Umgebung, auf. Es zeigen sich negative gedankliche Dominanten, die mit dem Verständnis eines durchdachten und raffinierten Spieles, mit einem In-die-Irre-Leiten der Gesellschaft unter Verheimlichung der wahren Absichten verbunden sind. Aus Sicht Wladimir Rosows erscheint Roerich als Pragmatiker, als Mensch, der sich Menschen gegenüber fordernd verhält, als Mensch, dem alle Mittel recht sind."51. Und wieder eine Punktlandung!

Nachdem sie sich mit dem im Buch von Herrn Waldenfels dargelegten Produkt des verdrehten Verstandes Wladimir Rosows bekannt gemacht hatte, teilte die "Nürnberger Zeitung" den Lesern eine sensationelle Neuigkeit mit: "Roerich war ein verhinderter Hitler"52!

Letzten Endes wurden die im Verlauf der Erörterung aufgetauchten "unbegründeten Hirngespinste des Autors über Nikolai Roerich" von der Mehrheit der Anwesenden erkannt, allerdings… Wie hat die "Nesawisimaja Gaseta" bemerkt: "Wir sind grundsätzlich nicht einverstanden (es geht um die Uneinigkeit über die unbegründeten Hirngespinste Rosows über Nikolai Roerich. – O.S.), aber im Großen und Ganzen unterstützen wir die, die bereits ihr Einverständnis gegeben haben."53. Die Ehre der Uniform und die korporative Solidarität haben sich als wertiger erwiesen als die wissenschaftliche Wahrheit.

Und zum Schluss noch ein Absatz aus der Rezension des MZR: "Ernst Waldenfels schreibt in völlig unzulässiger und vorlauter Art und Weise über Schambala – dem höchsten Bild in der Weltanschauung von Millionen Menschen des Ostens, das die Vorstellung von Vollkommenheit, von Gerechtigkeit und Weisheit auf der Erde verkörpert. Eine derartige Beziehung zu den Werten anderer Völker ist nur möglich für einen Menschen, dem Kultur vollkommen fremd ist"54.

Eine selten korrekte Formulierung, wenn man berücksichtigt, dass dieses Bild, das die Geschichte der Menschheit von ihrer Entstehung an begleitet, nicht nur im Osten geachtet wird. Der Herr "Biograf" erkennt selbst an, dass er Vieles bei Nikolai Roerich nicht versteht55. Und trotzdem erlaubt er sich, darüber mit der Selbstsicherheit des Stammgastes einer Münchener Bierstube zu urteilen. Übrigens: Wenn er schon einen so hohen Begriff anrührt, sollte es dem Autor anstehen, einmal nachzudenken: warum ist der Tempelberg in Jerusalem, einer der heiligsten Stätten des Judentums, des Christentums und des Islams, seit den Zeiten des Stammvaters Abraham auch als der Berg Moriah bekannt?

Anstelle eines Nachwortes

Wie wir sehen sind im betrachteten Buch "der unparteiischen und objektiven Forschungsarbeit … zahlreiche und völlig unbegründete Nacherzählungen, umwoben mit dem üblen Ruf pseudowissenschaftlicher 'Entdeckungen' und 'Sensationen', untergeschoben worden, die mit Wissenschaft nichts gemeinsam haben"56. Tatsächlich hat alles oben Angeführte mit der Biografie eines großen Menschen nichts zu tun. Es ist ein trivialer Roman der niedrigsten Art, der mit den bemerkenswerten Wörtern endet: "Heute dagegen ist der Stern Roerichs in Russland wieder im Sinken begriffen. Zum einen sind immer mehr Dokumente ans Licht gekommen, die eine enge Zusammenarbeit der Roerichs mit der sowjetischen Geheimpolizei belegen, und dann hat die orthodoxe Kirche die Lehre von Agni-Yoga mit dem Bannfluch belegt"57.

Herr Waldenfels hat in seinem Bestreben, das Vertrauen der Menschen in die Roerichs (Elena Iwanowna wurde im Buch auch viel Raum gegeben) und die Lehre der Lebendigen Ethik zu untergraben, augenscheinlich den Wunsch als Realität ausgegeben. Der Brillant des reinen Wassers funkelt mit allen Facetten, sogar, wenn er in den Mist geworfen wird. Der Name Nikolai Roerichs, des universellen Genies in der Geschichte aller Zeiten und Völker, ist schon, so wie auch die Namen seiner Ehefrau Elena Roerich und ihrer Söhne, mit goldenen Lettern in die Tafeln der Ewigkeit in der langen Reihe wahrhafter Helden unseres Planeten eingraviert. Und sie bleiben in Ewigkeit im Gedächtnis der zukünftigen Generationen als leuchtendes Beispiel dafür, wozu der menschliche Geist imstande ist, der in die Sternräume strebt, zum Licht und der Schönheit.

Einst hat ein gewisser Herostratos, bestürmt vom aufdringlichen Wunsch, Berühmtheit um jeden Preis zu erlangen, eines der Wunder unseres Planeten -den Tempel der Göttin Artemide in Ephesos- niedergebrannt. Eine solch ungeheure Tat, die die Menschheit bis ins Innerste erschütterte, hat seinen Namen zu einem Sinnbild gemacht. Später sind der langen Spirale der Weltgeschichte andere Herostraten nachgefolgt – in königlichem Mantel, in Papsttiara, in Militäruniform. Leider gelang es ihnen immer wieder, den Evolutionsaufstieg der Menschheit zu den leuchtenden Gipfeln des Geistes zu verzögern. Heute erlebt der Planet wieder eine Windung, die aus vielen Gründen komplexer ist als in vergangenen Zeiten. Auf uns wartet eine neue Windung, deren Analog es für die Evolutionsmöglichkeiten auf der Erde bisher noch nicht gegeben hatte. Denn Herostraten aller Schattierungen irren weltweit zuhauf herum und beschäftigen sich wieder und wieder mit der Zerstörung des Schönen und Erbaulichen, seien es Meisterwerke der Kunst, in die Tat umgesetzte Ideen zur besten Staatsordnung oder die Reputation würdiger Menschen. Die Namen Alexander Puschkin, Fjodor Dostojewski, Nikolai Roerich und andere leuchtende Persönlichkeiten sind ihm besonders verhasst, da diese eine totale Verbreitung von Unkultur verhindern.

Dazu hat die heutige historische Windung einen grundlegenden Unterschied zu den vergangenen Windungen. Sie ist aufs Engste mit der Wissenschaft, mit den neuesten wissenschaftlichen Entdeckungen verbunden, die uns anders auf viele gewöhnliche Dinge zu blicken gestatten. Und deshalb werden Schlachten wie die oben angeführte in die Mauern der wissenschaftlichen Institutionen umgelenkt. Die Waffe der modernen Herostraten ist das Wort, das Notebook ist das Werkzeug, und das Ziel - sich des Bewusstseins der Menschen zu bemächtigen, um sie mit höherer Wahrscheinlichkeit vom rechten Weg abzubringen. Die Menschheit auf wieder jenes Niveau zurückzudrängen, von dem sie einst ihre Entwicklung nach vorn nach oben, höher und weiter, begann, - das ist ihr sehnlicher Wunsch und ihre einzige Rettung. Sie sind bereit, diesen Weg zu beschreiten, - und sie sind schon unterwegs, wie weit auch immer. Wenn wir sie nicht gemeinsam aufhalten …

Anmerkungen

1. Bulgakow S.N., Gesammelte Werke in 2 Bänden. Bd. 1. Moskau: Verlag "Wissenschaft". 1993. S. 603. (Auf Russisch).

2. Antwort des Internationalen Roerich-Zentrums an in die Zeitung "Neues Deutschland" auf den Artikel von Sabine Neubert "Der geheimnisvolle Prophet" vom 20. Dezember 2011, gewidmet dem Buch Ernsts von Waldenfels "Nikolai Roerich. Kunst, Macht und Okkultismus" Weblink: http://en.icr.su/news/Wandenfels2_1.htm

3. Zit. nach: Roerich N.K. Entflammt die Herzen. Moskau: Verlag "Junge Garde", 1990. S. 16. (Auf Russisch).

4. Antwort des Internationalen Roerich-Zentrums an die Zeitung "Neues Deutschland" auf den Artikel von Sabine Neubert "Der geheimnisvolle Prophet" vom 20. Dezember 2011, gewidmet dem Buch Ernsts von Waldenfels "Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus".

5. Rezension des Internationalen Roerich-Zentrums über das Buch Ernsts von Waldenfels "Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus"

Weblink: http://en.icr.su/news/Wandenfels1.htm

6. ibid.

7. Waldenfels, E. von. Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus. Biografie. Berlin: Osburg-Verlag, 2011. S. 17.

8. Siehe: Sturlusson Snorri. Der Erdkreis. Moskau: Verlag "Wissenschaft", 1980; Die Saga von Inglingach, V. (Auf Russisch).

9. Siehe: Sieben Antworten auf die warägische Frage // Nestorchronik. Sankt Peterburg: Verlag "Vita-Nova", 2012. S. 422. (Auf Russisch).

10. Lasarewitsch O. W, Molodin V.I., Labetskij P.P. N.K.Roerich - der Archäologe. Nowosibirsk: Verlag des Instituts für Archäologie und Ethnografie der Sibirischen Filiale der Akademie der Wissenschaften, 2002. S. 14. (Auf Russisch).

11. ibid. S. 42.

12. Aufstieg nach Shum-Gora // Rossijskaja Gaseta - die Woche, Nordwest. № 5665. 23.12.2011. (Auf Russisch).

13. Waldenfels E. von. Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus. S. 18.

14. Antwort des Internationalen Roerich-Zentrums an die Zeitung "Neues Deutschland" auf den Artikel von Sabine Neubert "Der geheimnisvolle Prophet" vom 20. Dezember 2011, gewidmet dem Buch Ernsts von Waldenfels "Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus".

15. Waldenfels E. von. Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus. S. 21.

16. Fosdik S.G. Meine Lehrer. Die Treffen mit den Roerichs. Moskau: Verlag "Sphäre", 1998. S. 93. (Auf Russisch).

17. Roerich N.K. Brief an B.N.Roerich (Paris, im Winter 1900-1901) // Abt. Handschriften der Tretjakow-Galerie. F. 44, № 140. Autografie. (Auf Russisch).

18. Rezension des Internationalen Roerich-Zentrums über das Buch Ernsts von Waldenfels "Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus".

19. I. Silars. Die Roerichs in Kursem. Legenden und Archivdokumente. (Lettisch)

Weblink: http://www.arhivi.lv/sitedata/ZURNALS/zurnalu_raksti/61-80-VESTURE-Silars.pdf

20. Siehe: Der Großvater N.K.Roerichs - Roerich oder von Ropp? (Lettisch)

Weblink: http://www.arhivi.lv/sitedata/ZURNALS/zurnalu_raksti/42-50-VESTURE-Silars.pdf

21. Siehe: Schaposchnikowa L.W. Die Große Reise. In 3 Büchern. Buch 3: das Universum des Meisters. Moskau: MZR; Master-Bank, 2005. S. 1016-1029. (Auf Russisch).

22. Siehe: Waldenfels E., von. Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus. S. 264-265.

23. Roerich N.K. Memorandum № 2 vom 29.10.1935 // Roerich E.I. Briefe. [in 9 Bänden] T. 4 (1936). Moskau: MZR; Master-Bank, 2002. S. 461. (Auf Russisch).

24. Roerich N.K. Memorandum № 1 vom 24.10.1935 // ibid. S. 457. (Auf Russisch).

25. Fosdik S.G. Meine Lehrer. S. 440-441.

26. Siehe: [Roerich N.K.] Memorandum № 10 vom 07.01.1936 // Roerich E.I. Briefe. [in 9 Bänden] Bd. 4 (1936). S. 474-476. (Auf Russisch).

27. Ein Maler ergreift die Macht. Spannend: Wer war Nikolaj Roerich? // "Nürnberger Zeitung", 03.01.2012.

28. Rezension des Internationalen Roerich-Zentrums über das Buch Ernsts von Waldenfels "Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus".

29. Waldenfels E. von. Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus. S. 247.

30. Von den verfassenden Redakteuren // Die Roerichs: Mythen und Fakten / Artikelsammlung unter Redaktion von A.I.Andrejew, D.Savelli. Sankt Peterburg: "Nestor-Historia", 2011. S. 6. (Auf Russisch).

31. Schtschetkina-Rosche N. Trugbild des Kitsches als ästhetisches Basso ostinato bei Nikolai Roerich // Die Roerichs: Mythen und Fakten. S. 30-57. (Auf Russisch).

32. Waldenfels E. von. Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus. S. 243.

33. ibid. S. 245.

34. ibid.

35. ibid. S. 202-204.

36. Fosdik S.G. Meine Lehrer. S. 209.

37. ibid. S. 242.

38. Waldenfels E. von. Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus. S. 204.

39. ibid. S. 522.

40. Antwort des MZR auf die Verleumdung der Roerichs im Buch Ernsts von Waldenfels "Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus"

Weblink: http://en.icr.su/news/index.php?news=2020

41. Waldenfels E. von. Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus. S. 527.

42. Karagodina S.W. Cosimo Medici und Iwan der Schreckliche: die Natur des Gelächters und die Natur der Macht. (Auf Russisch).

Weblink: http://www.drevnyaya.ru/vyp/stat/s1_19_4.pdf

43. Die Russische Wissenschaft braucht das wahre Bild Roerichs // Nesawisimaja Gaseta. № 243. 14.11.2007. (Auf Russisch).

44. ibid.

45. Waldenfels E. von. Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus. S. 522.

46. Die Russische Wissenschaft braucht das wahre Bild Roerichs // Nesawisimaja Gaseta. № 243. 14.11.2007.

47. ibid.

48. ibid.

49. Die Russische Wissenschaft braucht das das wahre Bild Roerichs // Nesawisimaja Gaseta. № 243. 14.11.2007.

50. ibid.

51. ibid.

52. Ein Maler ergreift die Macht. Spannend: Wer war Nikolai Roerich? // "Nürnberger Zeitung". 03.01.2012.

53. Die Russische Wissenschaft braucht das wahre Bild Roerichs // Nesawisimaja Gaseta. № 243. 14.11.2007.

54. Rezension des Internationalen Roerich-Zentrums über das Buch Ernsts von Waldenfels "Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus".

55. Waldenfels E. von. Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus. S. 14.

56. Antwort des Internationalen Roerich-Zentrums an die Zeitung "Neues Deutschland" auf den Artikel von Sabine Neubert "Der geheimnisvolle Prophet" vom 20. Dezember 2011, gewidmet dem Buch Ernsts von Waldenfels "Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus".

57. Waldenfels E. von. Nikolai Roerich: Kunst, Macht und Okkultismus. S. 522 - 523.

 

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